Dienstag, 16. August 2016

Wochenbericht aus Sansibar: Die Meinungen der Bevölkerung Kikwajunis

Kiswahili: Maoni ya wananchi

Diese Woche wurden wir aktiv. Im Sinne der zentralen Motivation des Projektes – Möglichkeiten für eine Entwicklung des Stadtteils nach den Wünschen und Bedürfnissen der Bevölkerung Kikwajunis zu entwerfen – haben wir im ersten Schritt einen Fragebogen entworfen. Dieser sollte auf viele verschiedene Inhalte eingehen und möglichst differenzierte Eindrücke der Bevölkerung Kikwajunis abfragen. Die Interviewfragebögen haben wir dabei auf Englisch und Kiswahili entworfen. Weil es uns wichtig war so viele ehrliche Informationen wie möglich zu erhalten, wurden die Interviews hauptsächlich auf Kiswahili geführt und in Zusammenarbeit mit Ali und Khamis für uns übersetzt.

Das ASA-Team trifft das Sheha-Komitee.
Angefangen hat die Woche mit einem Treffen des Sheha-Komitees. Dieses ist eine Art dauerhafte Vertretung der Bevölkerung des Stadtteils, das als Anlaufstelle bei Fragen oder Problemen in Kikwajuni angesteuert werden kann – also ähnlich der Funktion der Bürgervertretung in Drewitz. Das Komitee konnte uns bereits viele Informationen liefern. So haben sie uns sehr viel über die Geschichte des Stadtteils einerseits sowie anderseits die Probleme und die heutige Situation der Leute geschildert. Bei vielen Themen überschnitten sich interessanterweise die Wünsche des Komitees mit denen der Bevölkerung.

Linda und Ali im Gespräch mit einem Bewohner von Kikwajuni.
Das Komitee hat uns auch dahingehend unterstützt, dass zwei seiner Mitglieder uns bei der Haushaltsbefragung begleitet haben. Dabei fungierten sie als eine Art Gesprächsöffner und haben den Bewohnenden erklärt, wer wir sind, was wir wollen und dass wir vom Sheha kommen. Interessanterweise haben wir dabei in der gesamten Woche nur wenige Absagen von den Bewohnenden bekommen. Ob das der Tatsache geschuldet war, dass wir sozusagen in offizieller Mission – mit Vertreterinnen des Sheha-Komitees unterwegs waren, oder ob generell eine große Zustimmung zu unserem Anliegen besteht, können wir nicht genau sagen. Auf jeden Fall aber hat sich dadurch eine Situation ergeben, in der wir die Möglichkeit hatten, die Ansichten sehr vieler unterschiedlicher Menschen zu hören.

Neben den sehr vielen interessanten Eindrücken und Meinungen der Bewohnenden selbst war es für uns beide deutsche Teilnehmende äußerst interessant, in den einzelnen Wohnungen begrüßt zu werden. Eine wundervolle Möglichkeit, das Leben vieler Menschen vor Ort kennen zu lernen. Unsere Erkenntnis: Der äußere Schein kann gewaltig trügen.

Michael, Linda und Khamis probieren
die Bananenstrünke selbst einmal aus.
Abseits von unserer Arbeitsroutine – obwohl wir in dieser Woche sicher nicht von Routine sprechen konnten – haben wir einen Ausflug nach Makunduchi gemacht. Makunduchi liegt im Südosten der Insel und ist bekannt für ein bestimmtes Fest: Mwaka kogwa. An diesem Tag treffen die Bewohner der Dörfer nördlich und südlich von Makunduchi dort zusammen, um auf eine ganz interessante Art die Konflikte des letzten Jahres zu lösen. Ursprünglich handelt es sich dabei um ein persisches Fest. Die Idee dahinter ist, sich von den Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten des letzten Jahres in geordnetem Rahmen „rein zu waschen“, um dann friedlich ins neue Jahr starten zu können.

Das Mwaka Kogwa-Fest in Makunduchi, Zanzibar:
Die Dörfer "bekämpfen" sich mit Bananenstrünken.
Zu diesem Zweck "bewaffnen" sich die Männer der beiden Dörfer mit Strünken von Bananenstauden. Zu Beginn laufen die beiden Männergruppen um den Festplatz herum und heizen die Stimmung mit Sprüchen und Gebrüll an. Die beiden Frauengruppen tun es ihnen gleich. Ab einem unbestimmten Moment gehen dann die beiden Männergruppen aufeinander los und schlagen sich mit den Bananenstrünken. Das dauert an sich nicht lang, da die Bananenstrünke schnell faserig werden bzw. ganz kaputtgehen. Ein jedes Team versucht, das andere vom Festplatz zu vertreiben. Sobald ein Team abgedrängt wurde, hat das andere gewonnen. Dies wiederholt sich mehrere Mal (vermutlich bis alle Bananenstrünke aufgebraucht sind).

Bei unserem Besuch hat das Team der Dörfer aus dem Norden gewonnen – aber das tut es wohl jedes Jahr – aus dem einfachen Grund, dass jedes Jahr immer viel mehr Menschen aus den nördlichen als aus den südlichen Dörfern teilnehmen. Uns ist bewusst, dass wir in diesem kurzen Abschnitt dieses historisch gewachsene Fest nur unzureichend darstellen können. Nichtsdestotrotz wollten wir gerne von diesem für uns sehr aufregendem Ereignis an dieser Stelle berichten. Als letzter Akt des Festes wird eine aus Stroh und Pflanzen gebaute kleine Hütte abgebrannt und im Anschluss mit der Familie bei einem gemeinsamen Picknick und der anschließenden Musikveranstaltungen gefeiert.

Es grüßen aus Sansibar
Linda und Michael